APHRODITE IOI

Testbericht der Zeitschrift Yacht

Aphrodite IOI Blog
Wer sich für ein Boot dieses Konzeptes interessiert, wird sicher den Spass am Segeln höher bewerten als "Stehhöhe" und Komfort unter Deck. Natürlich könnte man von einem Zehnmeterboot mehr Wohnlichkeit verlangen, aber kaum Let`s Fetz gelungenere Segeleigenschaften. Jeder Interessent sollte also selbst entscheiden: "Segeln" oder "Wohnen". Je nachdem sind Abstriche auf beiden Seiten zu machen.

Es wehte kräftig, so um die 6 bis 7, ablandig, als wir ablegten, unter Segeln natürlich! Das hob nicht nur das Image des Steuermanns, sondern funktionierte auch ganz pfiffig. Das Zehnmeterboot reagierte spontan auf Wind und Ruderausschläge; es brachte einfach Spaß, auf engem Raum mit dem Ding zu manövrieren.

Auf dem Sund vor Skovshoved / Kopenhagen angekommen, zog Jan Kjaerulff, der Konstrukteur der IOI, unter grossen Anstrengungen den Spinnaker hoch. Wir entdeckten auch warum: Der Spinnaker wird durch eine Decksöffnung vor dem Vorstag gezogen. Diese Öffnung - ursprünglich wohl nur als Ankerkasten gedacht - war eckig und nicht besonders spinnakerfreundlich, der Ausdruck "Spinnaker - Trompete" erschien uns keineswegs angebracht. Hier sollte mit einigen kleinen Abrundungen wirkungsvolle Abhilfe geschaffen werden.

Das Antoppen des an Deck liegenden und stets am Mast angeschlagenen Spinnakerbaums klappte gut. Sofort stand der Spinnaker und wir preschten mit guten neun Knoten ab. Das Boot lag dabei sehr sicher auf dem Ruder. Erst raumschots mit erhöhter Schräglage gab's Arbeit an der Pinne, bis es schließlich in einer Bö in die Sonne scho. Dabei klappte auch der Spinnakerbaum nach oben. Der Achterholer, der eigentlich zusätzlich die Aufgabe des Niederholers übernehmen soll, schaffte das nicht mehr. Ein weiter vorn eingeschäkelter Snat'ch-Block löste das Problem vorläufig.

Hoch am Wind, mit einem in wenigen Sekunden eingezogenen Reff, ging es dann mit 5,7 Knoten zurück. Backstagen und Achterstag liessen einwandfreien Trimm der Segel zu. Bis etwa 30 Grad Schräglage lag das Boot traumhaft auf dem Ruder, darüber hinaus nahm der Ruderdruck in vertretbarer Weise zu. Die Bedienung der Backstagen erwies sich als weniger kompliziert, als anfänglich angenommen. Da sie sehr hoch am Mast angreifen, etwa 2,40 m unterhalb des Topps, ist nur wenig Lose durchzuholen. Zum Strecken werden die Spinnakerwinschen benutzt. Eine zwar wirkungsvolle aber doch provisorische Lösung, denn wo fährt man den Achterholer? Normalerweise sollen die Backstagen auch über eine Talje durchgesetzt werden, aber aus irgendwelchen Gründen gefiel das dem Bootseigner nicht. Der Achterstagstrecker, eine Trommeluntersetzung im Achterschiff, ist für den Steuermann gut zu erreichen. Sämtliche Fallen und Strecker werden über das Deck zum Cockpit geführt und dort in Curryklemmen bester Qualität belegt. Niemand braucht bei Manövern auf das Vorschiff zu laufen. Wenn er es doch tut, dann findet er auf dem besonders rutschhemmenden Decksbelag auch unter extremen Schaukelbewegungen einen sicheren Stand. Allerdings nur dann, wenn man nicht gerade auf einen der über Deck laufenden Tampen tritt.

Das erste und zweite Reff wird in vortrefflich einfacher und wirkungsvoller Weise durch Bedienung je eines Reffstreckers vorn und achtern heruntergezogen. Decksbeschläge, Seereling, Bug- und Heckkorb machen einen sehr soliden und sicher befestigten Eindruck. Die Seereling, Bug und Heckkorb lassen sich durch Ausziehen um das Doppelte, auf 63 Zentimeter erhöhen und entsprechen somit den allgemeinen Sicherheitsbestimmungen. Der feststehende Großbaumniederholer lässt sich während des Segelns nicht verändern.

"Der wird nur einmal auf das vorhandene Grosssegel eingestellt", meinte der Konstrukteur. Da es ständig kräftig wehte, konnten wir leider nicht prüfen, ob eine Veränderung bei leichten bzw. wechselnden Windstärken notwendig gewesen wäre.

Das Rigg machte einen verlasslichen Eindruck. Vorstag und Wanten werden standardmässig als Rod-Rigg (Stangen) geliefert, ein Profilvorstag für das Vorsegel ist erlaubt. Das 1,83 mal 1,43 Meter grosse Cockpit, mit einem durchschnittlich 25 Zentimeter hohen Süll umgeben, ist klar und funktionell gegliedert. Teakholz-Belag auf den Duchten sowie eine Gräting auf dem Cockpitboden sorgen nicht nur für gefälliges Aussehen, sondern vor allem für einen sicheren Stand beim Arbeiten im Cockpitbereich. Als Extra gibt es übrigens auch ein Teakdeck. Das etwa 1,10 Meter lange Schiebeluk aus Perspex kann im Hafen offen bleiben, wenn eine als Extra lieferbare Persenning über die Niro - Griffleisten gespannt wird. Somit gibt es zumindest in diesem Bereich vollwertige Stehhöhe.

Beim ersten Blick unter Deck fällt die saubere Verarbeitung und geschmackvolle Auswahl der Hölzer auf. Typisch gepflegt skandinavisch! Obwohl das Testboot bereits eine Saison über 2000 Seemeilen hinter sich hatte, zeigten sich kaum Abnutzungserscheinungen oder gar reparierte Stellen. Die Pantry, mit zweiflammigen Petroleum Kocher, halbkardanisch aufgehängt, einer runden, 30 Zentimeter großen Spüle und ausreichend unterteilten Stauräumen, bietet genügend Möglichkeiten für die Zubereitung warmer Speisen. Für Navigationszwecke muss entweder die Abdeckplatte des Kochers oder der einseitig abklappbare Tische, 109 x 6o cm grosse Salontisch herhalten.

Der Salon wirkt trotz der relativ geringen Deckshöhe nicht erdrückend; das weisse Kunststoffdach, teilweise mit hellem Holz verkleidet, sieht sehr freundlich und gemütlich aus.

Im Vorschiff gibt es an beiden Seiten Borde, um etwas Wäsche und Kleinkram zu stauen. Im WC-Raum, lediglich zum Salon hin durch schweres Segeltuch separierbar, bleibt neben dem standardmäßig mitgelieferten Pump-WC (mit Seeventilen) noch ausreichend Stauraum für vier Waschetuis und einige Handtücher. Der an Bb gegenüberliegenden Kleiderschrank kann auch für Ölzeug und Gummistiefel verwendet werden. Die Standard-Polster aus Cordstoff sehen elegant gediegen aus, wenn's nass wird, müssen sie halt an Deck getrocknet werden.

Unser Testboot hatte statt des üblichen Motors einen Renault-Motor, so daß wir auf Geschwindigkeits- und Schallpegelmessungen verzichteten. Über eine wasserdichte Luke im Cockpitboden sowie vom Niedergang her lassen sich sämtliche Motorteile unkompliziert erreichen, das gleiche gilt auch für die Serienmaschine, wie wir uns überzeugen konnten.

Die Aphrodite IOI ist als Einheitsboot konzipiert. Das bedeutet, dass nichts verändert werden darf, was nicht ausdrücklich in den präzisen Klassenvorschriften gestattet ist. Diese Tatsache, im Zusammenhang mit der gelungenen Konstruktion, wurde vor etwa zwei Jahren in London durch Anerkennung als OOD (Offshore One Design), also Einheits-Seekreutzer, belohnt. Es gibt zur Zeit lediglich zwei weitere Seekreuzer-Typen, die gleiches für sich in Anspruch nehmen können. Im Rahmen der Aphrodite-Klassenvorschriften sind ganze vier Vorsegel zugelassen: Sturmfock (Jan Kjaerulff: "Die hab' ich noch nie gebraucht bei 2000 Seemeilen"), Fock und 2 Spinnaker.

Wir stellen fest, dass tatsächlich zum Standardboot nichts hinzugekauft werden muss, will man Regatten segeln. Eine mindestens 100 Kilogramm schwere Maschine ist Pflicht. Dieser Einheitsgedanke setzte sich schnell auch in anderen Ländern durch, so dass die Aphrodite IOI bis heute weltweit über 470x verkauft wurde.

Das Yacht-Urteil von Peter Schweer

Die APHRODITE IOI ist vor allem ein reinrassiges Segelboot, kein "Wohnwagen zur See". Wer mit Komfort unter Deck und im Cockpit zufrieden ist, wird das Boot selbst auf längeren Nord- oder Ostsee-Touren mit viel Vergnügen segeln; auch bei stürmischem Wetter. Denn der Spaß am unkomplizierten und doch sportlich schnellen Segeln zählt nicht nur bei Regattaseglern. Und auch mal unter Segeln an- und abzulegen, oder ein enges Gewässer problemlos aufzukreuzen, bringt echtes Segelvergnügen.

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Kategorien: Kolumnen
Keywords: Testbericht, Zeitschrift, Yacht
gepostet: 12.10.2000